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TangoTalk - Warum werde ich nicht aufgefordert?

 "Gestern war ich auf einer Milonga und ich wurde nicht einmal aufgefordert! Ich hab am Rand gesessen und mich sogar mal mit einem Mann gesprochen, doch der stand dann auf und ging zu einer ganz anderen Frau rüber!“ erzählte mir eine Frau.

 

hm... warst Du in flachen Schuhen da? Hattest Du kein Kleid an? Nicht geschminkt? Sicher, dass Du auch besonders weiblich warst? Wie war denn so die Konkurrenz?

 

JEDE Frau kennt das! Man geht auf eine Milonga, ist so richtig gut drauf, freut sich auf die Musik, aufs Tanzen und dann.... passiert nichts. Man sitzt, und sitzt... in den Pausen macht man einen langen Hals um andere Blicke zu suchen... und wird übersehen. Man unterhält sich mit einem Mann und wartet darauf, dass das neue Musikstück beginnt, um zu fragen, ob er Lust hat zu tanzen.... doch so weit kommt man gar nicht. Man wird „sitzengelassen.“

 

Das Blatt wendet sich einfach nicht. Alles läuft an dir vorbei.

Irgendwann hat man dieses „resting bitchface“. Das man nach einem 6 Stunden Flug drauf hat. Man sieht jetzt dem Bild in seinem Personalausweis besonders ähnlich.

 

Ich kenne das auch SEHR gut. Ich bin einmal heulend (!) Heim gefahren. Ich war fertig. Ich hab meine Drogen (= tanzen = Endorphine) heute nicht bekommen. Ich war so enttäuscht und traurig.

 

An einem Abend ist man der Renner und kommt nicht zum sitzen, an einem anderen ziehen alle an einem vorbei. Da kann man auf die Idee kommen, es liegt an einem selbst.

 

Und dann kommen noch so Leute die sagen „Du ziehst an, was Du ausstrahlst..“ …. gleich mal vorweg: eine Opferpersönlichkeit gibt es NICHT! Man zieht nicht an, was man ausstrahlt! Das ist quatsch. Man wird getriggert. Man begibt sich in Situationen, die nicht gut sind, oder aber innerlich leuchtet die Alarmanlage auf und man haut die Bremse rein und sieht zu, dass man weg kommt.

 

 

Daher mein Rezept:

1. Hingehen. Egal, mit welcher Laune. Sich selbst nicht drosseln nach dem Motto „Wenn die Freude nicht so groß ist, kann ich schon nicht enttäuscht werden“... ja... also wer cool ist, der ist schon tot! Gesicht zeigen.

2. Dann eine Stunde bleiben und wenn nichts passiert ist gehen.

3. Und wenn dann ein Mann sagt „Gehst Du schon?“ Ruhig einen Einlauf geben! Die Wahrheit aussprechen! Warum erkläre ich weiter unten.

 

 

Wenn ich mich mit anderen Frauen unterhalte sagte mal eine, „die Tanzlehrer sind die Seele der Milonga. Der Veranstalter.“ Wenn der nicht herzlich sei, dann würde sich das auch auf das Publikum niederschlagen.

 

Es gibt aber auch Milongas, auf denen läuft es für mich immer übel. Da gehe ich nur hin, wenn es Livemusik gibt, aber eigentlich gar nicht... ich habe dann schon gar keine Lust mich ins Auto zu setzen und diese Strecke hinzulegen.

 

Das sind bei mir genau 2 Veranstalter. Wenn ich da so sitze und mir die Leute anschaue, die mich ignorieren fällt mir auf, dass es zum Teil die gleichen Leute sind. Diese Leute sind mir alle fremd und wenn auf dieser Milonga Tänzer auftauchen, die ich kenne und (eigentlich) mag, ignorieren sie mich genauso. Es ist eine überhebliche Atmosphäre und es ist auf beiden Milongas die gleiche Chemie, die durch den Raum wabert.

 

Man kommt auf eine fremde Milonga und weiß sofort „mein Platz“ oder „..hm... mal schauen“ oder „eigentlich nicht, aber jetzt lass ich mich darauf ein“. Beim letzten Bauchgefühl braucht man sich die Schuhe gar nicht anzuziehen. Wenn man in den Raum kommt und ist schon gleich aufgeregt, dann wird das eine laaaange Nacht mit vielen schönen Runden!

 

Diese speziellen 2 Milongas im Raum Großraum Stuttgart sind für mich also reine Sitzmilongas mit jeweils dem gleichen Publikum. Und auf diesen Milongas sitzen auch sehr, sehr viele Frauen. Man hat viel Zeit, um zu „lästern“. Auch wenn man das nicht will und die Stimmung hoch halten und sich gegenseitig gut zusprechen will, kommt zwischen den Zeilen immer die selbe Story durch, die ich auch kenne. Oder aber ganz direkt „keine Ahnung, warum ich immer noch hier her komme. Ich werde hier nie aufgefordert.“ Diese Milongas sind auch für viele andere Frauen, die nicht Teil der Sozietät sind eine Sitzmilonga und verlassen nach einer Stunde die Veranstaltung. Gehen Heim oder versuchen es jetzt noch wo anders.

 

Auf eine Sitzmilonga ging ich mal mit einem Tänzer, der mich überredet hatte. Ich meinte „ich gehe da nicht hin. Da sitze ich nur“ Er versprach mir, mit mir zu tanzen und dass ich nicht sitzen würde.

 

Ich tanzte mit ihm, wurde dann als würdig erachtet und auf einmal kamen die Männer. Wenn ich an der Bar saß und darauf wartete, dass er wieder kam von seiner Pause an der frischen Luft, kamen sie angerannt. Jeder wollte jetzt mit mir tanzen. Ich hab sie alle weggeschickt. Ich habe nur Körbe an dem Abend verteilt. Ich gehe dort nur hin, wenn Livemusik ist die ich unbedingt hören möchte, oder ein berühmtes Paar eine Show vorführt, aber das war es dann auch schon. Ich sitze mit da, genieße die Musik, schaue zu und merke mir die Gesichter.

 

Das klingt wütend, aber sein wir doch mal ehrlich. Manche Leute kann man riechen, andere nicht. Und dann gehöre ich eben zu dem anderen Lager, dass dort nicht „hingehört“. Ich möchte mir die Freiheit zugestehen nicht von jedem gemocht zu werden. Das macht das Leben weit aus entspannter. Und wenn ich künftig auf eine fremde Milonga gehe und erkenne zu viele von den „anderen“ auf der Tanzfläche, dann weiß ich, dass ich in einer Stunde wieder gehen werde und eine andere Milonga besuche oder mir einen schönen Abend zu Hause mache.

 


 Wie sollte man aber damit umgehen?

 

Ich habe gelernt, dass man mit dem Aussprechen der Wahrheit jede unfaire Diskussion oder Manipulation beendet. Ein normaler Mensch hat so viel Empathie, dass er versteht, was schief gelaufen ist. Wer die Empathie nicht hat, ist entweder dumm oder böse. Darauf können wir verzichten, meine Damen.

 

 

Einer Milonga habe ich besonders viel Zeit gegeben, um noch zum Tanzen zu kommen.... aber es passierte auch nach 4 Stunden nichts. Ich ging dann also Heim. An der Türe laberte mich dann so ein Tänzer an „Jetzt gehst Du schon. Wir haben noch gar nicht getanzt.“ In mir hat es gebrodelt und ich bin einen Schritt auf ihn zu und habe ihm klar gemacht, dass ich da jetzt 4 Stunden gesessen habe und die Männer – darunter auch er – immer an mir vorbei geschaut haben. Und JETZT kommt er mir so? Was er sich eigentlich von so einem dummen Spruch erwartet.

 

Meiner Erfahrung nach kommt dann immer ein hilfloses gestammel, welches ja im Grunde bedeutet, dass er es verstanden hat und es keinen Grund gibt und es keinen Sinn macht das jetzt schön zu reden. Er hat mich ignoriert und weggedreht, als ich den Hals gestreckt habe und ihn mit einem Kopfnicken gefragt habe. Er hat es verbockt. Vielleicht macht er es ja ein anderes Mal wieder gut.

 

Und dann gibt es die andere Reaktion. Angriff „Ihr Frauen könnte ja auch mal auffordern.“ „Ich weiß ja nicht, ob Du überhaupt mit mir tanzen willst“ oder „Du bist doch eine emanzipierte Frau...“ Es geht dann um nichts andere als die Wahrheit, die ihn in ein schlechtes Licht stellt zu verleugnen und zum Gegenangriff auszuholen. Mit generalisierten Angriffen, fernab der konkreten Situation und fernab jeder Lösung. Es geht um Triumpf. Das über mich stellen.

 

Und dass berichten auch viele Frauen. Es muss einem klar sein, dass hier nur normale Männer herumlaufen. Im Tango wird einem kein gutes Benehmen beigebracht. Die Männer kommen auf eine Veranstaltung, auf der sich mehr Frauen, als Männer tummeln. Sie haben die Qual der Wahl und sehen das als Bürde jetzt jede Frau Bespaßen zu müssen. Das sei nicht ihr Job.

 

Dann kommen sie in das schwarze Büchlein und werden nicht mehr angeschaut. Und die Herren sollten sich auch klar sein, dass Frauen reden. Besonders die, die viel am Rand sitzen und sich langweilen. Und wenn dann da 5 Frauen sitzen werden sich mindestens 2 von ihnen unterhalten. Und nicht mehr dort hin kommen.

 

 

 

Die Veranstalter schaffen nur den Rahmen. Aber die Männer wollen im Tango noch bestimmen, mit wem sie tanzen. Sie wollen nicht aufgefordert werden. Sie wollen mit der Frau tanzen, die sie gut finden. Dann sollen sie sich auf darum kümmern, dass die Stimmung nicht kippt. Eine Milonga ist kein Harem. Und es ist erlaubt zu sagen, wenn einen was belastet. Man kann das Verhalten nicht ändern, aber man darf die Wahrheit es aussprechen.

 

Ich möchte niemandem Angst machen oder eine Revolte anzetteln. Was ich aber will ist, dass die Wahrheit ausgesprochen wird. Es liegt meiner Meinung nach nicht am Veranstalter, sondern daran, wie offen und freundlich das Publikum ist. Wenn es keine offenen Menschen sind, muss man lange Zeit Gesicht zeigen und sich eventuell auch einschleimen. Leider. Muss man aber können. Wer das nicht kann besucht andere Milongas. Ich kann auf Anhieb 3 Milongas sagen, auf denen ich immer zum Tanzen komme (auf einer wechselt allerdings der DJ und danach bestimmt sich auch das Publikum) Und eine Milonga, bei der ich nie weiß, was mich erwartet. Entweder komme ich nicht zum sitzen, oder ich gehen ach einer Stunde wieder.

 

Es hängt nun einmal an den Leuten. Ganz besonders an den Männern. Es ist legitim, wenn die Herren eine Frau nicht interessant/tanzbar finden, aber dann sollten sie die Damen dann auch sonst links liegen lassen und sich das „Gehst du schon?“ „Wir haben noch gar nicht getanzt.“ sparen.

 

 

 

 

Wie erkenne ich einen guten Abend?

 

 

In dem man gar nicht erst lange sitzen gelassen wird. Man wird aufgefordert. Wenn man sich unsicher ist, dann mit anderen Frauen unterhalten. Da kommt schnell heraus, ob das eine gute Milonga ist. Kommt man gar nicht dazu, sich mit einer anderen Frau zu unterhalten, weil man selbst tanzt, dann ist es eine gute Milonga. Hier kann man wieder hin.

 

Ich bin zum Tanz in den Mai nach Karlsruhe gefahren. Kaum war ich in den Tanzschuhen, bin ich auch schon aufgefordert worden. Ich saß kaum. Ich ging nach mehreren Stunden nur weil ich nicht mehr gehen konnte. Ich bin barfuß zum Auto, weil der kühle Asphalt so gut tat. An dem Abend war auch ein Tänzer da, der nur 3 mal getanzt hat. Die 3 mal hat er mit mir getanzt. Für ihn war das keine gute Milonga und auf „seinen“ Milongas hätte er mich vermutlich nicht mal mit dem Hintern angeschaut. Ich weiß nicht wie er hieß und wo her her kam. Er hat nicht mit mir oder sonst wem gesprochen, aber er war einer der wirklich richtig guten Tänzer, die ich in meinem Leben hatte und er hat sich richtig Mühe gegeben.

 

Erklärung:

Beim Tango wird durch Blicke augefordert.

Das nennt sich Cabeceo. Wenn die Frau einen Mann ermuntert sie aufzufordern heißt das Mirada.

 

Mir wurde das so erklärt:

 

Es sei einem argentinischen Macho nicht zumutbar über die Tanzfläche zu laufen, nur um sich vor aller Augen einen Korb abzuholen. Daher fordert man über Blicke auf. Diskret. Wenn sie nicht reagiert und ihn ignoriert, weil sie nicht will hat er nichts verloren.